An Zarah Leander (Von ungefähr …)

Von ungefähr und ohne dich zu kennen
Sah ich dein Spiel und hörte deinen Sang.
Ich saß gebannt von diesem dunklen Klang
Und spürte schamhaft bald ein heimlich Brennen.

Von Tränene in den Augen und den Drang
Die Knie zu beugen vor so grßer Kunst.
So eingefüllt in eines Rausches Dunst
Kam deine Stimme näher, tief und bang.

Stieg wie auf blauen Schwingen zu mir nieder
Und rauschte schwer aus der gewölbten Nacht.
Ein jeder Ton trug Mohn und Gold als Fracht
Und seig schloß ich, wie ein Traum, die Lider.

Dann – durch die Gassen lief ich ohne Ziel
Fort, weiter fort, ganz Glanz von deinem Ton
Und winkte dir zu deiner Künste Thron,
Wenn auch der Vorhand längst schon niederfiel!

Volkslied (Ich schritt vorbei…)

Ich schrittt vorbei an einem Haus
Da blickten drei Mädchen zum Fenster heraus.
Sie riefen mit lustigen Scherzen mich an:
O komm er und halter, Herr Reitersmann

Um sie zu schrecken rief ich keck:
Ich stehle die Herzen, die Seelen euch weg!
Sie riefen und lachten im fröhlichen Streit:
So komm er, Herr Reiter, im Freierskleid!

Und als ich mich pirschte ans Fenster heran,
Da sahen drei Blumen nur spöttisch mich an –
Zwei Rosen, die Nelke am schwankenden Stab,
Da brach ich still die Verzauberten ab!

31. 8. 40

Das Ende

Ein Zug fährt ab.
Du gehst allein nach Haus
Ein Fenster, hell am Dach, erlischt
Der Kahn, zertrümmert, schaukelt auf der Gischt
Der Vorhang fällt, das schöne Spiel ist aus
Gewirr von Stimmen, nah dem Abgrund schon
Ein seidnes Kleid entschwebt wie ein Ballon
Steigt in die Nacht, der Geigen Ton
Versinkt in alten Holz und hat dich mir gebracht
Der letzte Kuss
Das Ende!
„Lebewohl“!
Senkrecht fällt Glück und Hoffnung aus der Welt
Hinab, hinab in die Menschlichkeit
Der Rest ist Schweigen. Sieger bleibt die Zeit.
Von einem fremden Anfang überhellt.

4. März 1954, 11 Uhr nachts

Weihnachtsahnen

Schon schimmert leis ein feiner Hauch
Von weihnachtlichem Glanz im Raum.
Von fernen Wäldern kommt er her
Und wehte sacht von Baum zu Baum.
Ist auch dein Herz noch ohne Lust
Und friert es dich in Sorge tief —
Ich weiß, daß still in deiner Brust
Ein guter Engel nach dir rief.
Er zündet tausend Lichter an
Und staunend wirst du sie beseh‘ n
Und lächeln, wenn sie fröhlich dann

Erster Advent!

Es schwebt vom Himmel ungesehen
ein Engel, wenn der Abend sinkt.
Er bleibt vor deinem Hause stehen und winkt—
Er hebt die Hand den Sternen zu
und spricht: »Nun kommt die Gnadenzeit.
Besinne Dich und wisse Du:
ein Fest will tiefe Ewigkeit!« —
Und lautlos bricht die Nacht herein, im Kranz die erste Kerze brennt mit feierlichem milden Schein.

Vogelschwärme

Wolken von Flügeln
Tragen den Frühling
Auf dem blitzenden Gefieder.
Steigen auf, fallen hernieder.
Über den Hügeln
Stürzen sie in die Wälder ein.
Schon der Knabe wollte ein Vogel sein –
Immer und immer wieder
Fliegen, fliegen, gleiten mit anderen – allein,
Bach und Fluß, Stadt und Land
Tief unten – und den Sternen so nah.
Aber kein Wunder geschah!
An die Erde gebunden
Kann ich nur staunend sehn,
Wie die Schwärme kommen, verwehn.
Dort, dort ein neuer Vogelzug,
Er bringt Sonne und wohl des Glücks genug.
Es rauscht, es wogt und flattert und schwebt,
Der Himmel jauchzt – die Erde lebt!

27.3.1966 12 Uhr nachts

Margot

Kind,
Zwischen zwei Welten geborgen.
Vater, Mutter.
Nicht Vater noch Mutter .. .
Deine Verse sind steile Blumen,
Oft steigt Gift in ihren Stengeln
Wurzeln des Grams.
Der grüne Blitz des Genies
Brennt durch die Worte der Strophen.
Eine Seele lodert

Jugend

Jugend ist das ungepflügte Feld.
Morgen. Blüte.
Überwundener Tod.
Mosaik aus Millionen Gräbern.
Samtne Nacht mit dem Tierschlaf.
Lockendes Ufer .. .
Suchen, tasten, revolutionieren
Gegen den romantischen Mond,
Den sie dennoch liebt!
Rebellion gegen die Gesellschaft,
Die auf dem Schindanger der Zeit verfault
Jugend ist Lachen, Lachen so froh und leicht,
Fremd für die Alten,
Wenn die Nacht friert
Und keinen Morgen will . . .
Jugend,wie der Erde Beginn.
Jugend!

8.Juli 1967

Mond und Jasmin

Duftender Schnee im Busch,
Mond im wirren Geäst.
Jasmin, Parfüm der Juninacht.
Liebende pflücken Zweige und schweben dahin,
Leichter wie Wolken, leichter als Sommerwind.

Ein Jahr lasteten Vlaminckwolken
Vor den schwarzen Fenstern.
Nun aber blüht’s, drängt den Geruch
In den gläsernen Schlaf
Sterne aus Nacht und Mond,
Sonne und Finsternis.
Von fern weht Heugeruch durch die Gassen,
Vom nahen Land.

Erlöste Schwermut.
Duftwerdender Sommer.
Welkt ihr schlaflosen Nächte,
Jetzt wogt der Blumenatem in den Räumen.
Wunderbare Erfüllung! Lohender Lichtkreis.

Eine Frau lehnt am Fenster.
Ihr weißes Haar strahlt für einen Dichter.
Harmonie: Mond, der in die Nacht horcht –
Duft wuchernder Blüten!
Bildnis für die Sehnsüchtigen: Mond und Jasmin!

7.6.1966

Magnolien

Weißer Wurf ins Licht,
Aus des Winters grauer Gruft.
Sonne kocht in der Blüten Gischt,
Verzehrt ihren Duft.
Klassische Zeichnung der silbernen Dolde,
Schmetterlingsleichte, Schwebende, Holde,
Wiegende Schönheit, erstrahlt im Blau,
Blume, zarten Trauben gleich,
Strauß, im Garten der wartenden
Frau — Schwester der Rose im mondblassen Teich.

22.4.1952