Sonne        

Sonne, Sonne, steige aus der Nacht!
Mensch und Tier und Pflanze sind dir Freund,
Warten auf den blauen Lichtgesang,
Auf das Kreisen deines Feuerrades,
Deine ungeheure Flammenuhr.
Schwebe auf dem tannenstolzen Hügel,
Über dessen weiten Linienschwung
Deine Strahlen in die Täler leuchten,
Ewig alt und ewig jung!
Diamant, vom Tage eingefaßt,
Strahle durch die Schächte
Unseres Blutes – unserer dunklen Welt –
Steige, halte lange Rast
In den Blumenkelchen, in den Kronen
Stolzer Bäume, wo die Amseln wohnen,
Werfe Licht mit großem Flügelschlage
In die Ängste unserer Menschentage

Verfasst ungefähr 1946 in Rottau, Allgäu
Verbessert am 28. Juni 1961

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