Liebesbrief 1951

Mein lieber Walter, ich schreibe Dir
Aus dem Gasthaus zum Engel, bei einem Bier.
Ich tränke zwar lieber ein Glas Wein,
Doch das Geld, mein liebster, es darf nicht sein!
Ach, weißt du noch, hier, im ersten Stock,
Die erste Nacht!  Mein Faltenrock,
War ganz zerknittert, der Büstenhalter
Von den Trägern gerissen – Du böser Walter!
Nun sind wir getrennt  und  du bist schuld,
Du hattest nicht mal ein bisschen Geduld!
Hättest du mich nur machen lassen
Bei einigen Herren – nun bist du verlassen
Und hungerst in deinem Atelier
Bei Schwarzbrot und Kamillentee.
Du faselst immer von Moral,
Die war mir immer ganz egal!
Ja, ich gestehe ( gleich endet der Bogen )
Ich habe dich oftmals heimlich betrogen
Mit Heinz und Karl und dem Fabrikanten
Und den Brüdern Bloch, die mich verstanden.
Jetzt ist es heraus, nun weißt du genau,
So bin ich eben, halt eine Frau.
Doch ich liebe dich wirklich und bin bereit,
Dich zu empfangen zu jeder zeit.
Wenn es am Abend dreimal läutet,
Weiß ich dann, was das bedeutet.
Stell dich nicht auf die Hinterbeine,
Du weißt, ich bleibe nicht lange alleine –
Die Hauptsache ist, wir haben zu fressen,
(deine Bilder sind gar bald vergessen).
Nun, lieber Walter, sei geküsst,

Gedichte A bis Z