Du sahst den Mond

Du sahst den Mond,
So wie ich ihn jetzt sehe;
War er wohl rot wie Blut        _
Nein, gelb und gross,
Ein Wunder, Bruder, Ferne
In deiner Enge, Sterne
Verblassten neben ihm und regungslos
Blicktest du durch den schmalen Fensterspalt –
Ganz nur Gesicht! 0 Kind, welch Bild, Erinnerung –
Wo schlief der Mord?
Du warst allein und schon in der Gewalt
des Grenzenlosen. Nacht ist ohne Wort,
Solch eine Nacht! Ja, du sahst diesen Mond,
Dort, diese Scheibe Glas versonnen,
Von Sehnsucht ganz, von Tod und Licht umsponnen.

23.5.1958 11 bis 12 Uhr abends, an mein Kind

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