Der Kranke

Ich weiß einen Baum in blauendem Wald,
Der Baum, der ist wie die Nacht so alt –
Aus seines Laubes murmelndem Chor,
Da reckt sich ein mächtiger Ast empor.
Und seh ich hinan, da fröstelt’s mich kalt,
Mir ist als hinge dort eine Gestalt. –

Es zischeln die Blätter giftigen Spott,
Es zieht mich zum Baume der Todesgott. –
Mir engt die Brust, – ich Glückverwaister, –
Schon höre ich schrei’n des Waldes Geister:
„Hui, hui, dort am Ast in unserem Wald,
hu hui, dort hängt eine Männergestalt!“

Du liegst allein – die Welt ist weit! –
Es rauscht die Zeit –
Vergangenheit und Ewigkeit.

Und keiner naht, der dich versteht.
Du bist verweht.
Nur Schmerz und tiefstes Leid besteht.

0 hielt kein Licht dies Herz in Glut
Und lieh mir Mut,
Wo rönne mein verwaistes Blut?

Ich weiß, daß Krankheit, auch und Not
Aus Nächten loht.
Zu dir, du Erdenmorgenrot!

23.11.1919, im Krankenbett

Gedichte A bis Z